Wenn der Fortschritt betrügt
Inwiefern der Sozialstaat einen Fortschritt und Segen darstellt, erkennen insbesondere die Bedürftigen oft erst, wenn er nicht mehr existiert oder im Begriff ist zu verschwinden, während er doch aber zumindest einmal zuvor real erfahrbar war.
Dies Versäumnis liegt aber wohl auch an der wohlfeilen Perfidie, vor die sich die falsche Naturwüchsigkeit jener Einrichtung schützend stellt:
Zuerst, so mag es die rein logische Rekonstruktion dieses Prozesses darlegen, setzt der nationalstaatliche Rahmen das privatwirtschaftliche Eigentum fest, garantiert die Konkurrenz und das subsidiäre Prinzip der Selbsterhaltung, schafft somit die Prämisse zur Akkumulation des Kapitals überhaupt.
Schließlich und als Zweites findet sich diese Ordnung mit dem Problem der hierfür beunfähigten oder der hierdurch beschädigten Individuen konfrontiert und beschließt im besten Falle (oder lässt sich vielmehr erfolgreich zum Wohle der Menschheit erpressen) Sozialleistungen zu gewähren.
Der psychische Effekt auf die Betrogenen aber ist vermaledeit:
Nach der Erfahrung des Scheiterns an den Zurichtungen und der Abhängigkeit gegenüber des totalitären Leistungsprinzips, erfährt das gebrochene Individuum Gnade durch die bürokratisch behürdete und sanktionierende Sozialhilfe, wie Arbeitslosengeld, Wohngeld, Krankengeld, Familiengeld oder Erwerbsminderungsrente – stets dabei natürlich unter dem Druck des Finanzierungsvorbehaltes oder des Gutdünken des wankelmütigen politischen Klimas.
Es bleibt dabei zurück das Gefühl der Minderwertigkeit, der Hilfsbedürftigkeit, des Parasitären – gespiegelt nicht zuletzt auch im Blick des großen Anderen, der dieses Urteil regelmäßig auch auszusprechen vermag.
Das erste Verbrechen aber, also jenes der in der Basis bereits falschen Grundbedingung der Staats- und Marktanarchie, bleibt letztlich unsichtbar.
Die Schuld für die Sünde somit – als die des emergenten Gesetzes der fetischistischen Ewigkeit aller abstrakten Arbeit gegen den freien Menschen – lastet einzig auf dem Einzelnen.
Und dieses im Mindesten unter Strafe des Gesichtsverlusts beim Scheitern am Gesetz, solange der Sozialstaat noch stark ist.
Ohne ihn dagegen verliert der Kaputte ganz unmittelbar – Leben oder Seelenheil.


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