Skizze einer dialektischen Kybernetik

Der Fluch der AD(H)S in Armut besagt, dass ich viel denken mag, aber wenig vollenden. Daher wird die folgende Skizze womöglich, wie so vieles, Fragment bleiben.
Sollte ich jedoch eines Tages ungehört entschwinden, so mag vielleicht eine findige Studentin oder Autodidaktin mit mehr Initiative etwas von all dem hier aufgreifen und weiterführen.

Es verbleibt als Flaschenpost.

Die dialektische Kybernetik begründet sich aus dem Versagen bestehender Systeme, den Widerspruch zwischen Stabilität und Freiheit, Ordnung und Veränderung, zu lösen. Sie erhebt die bewusste Steuerung von Transformation selbst zur Kunst: Nicht um Stabilität zu bewahren, nicht um Chaos zu erzeugen, sondern um Räume echter Befreiung zu öffnen.

Die dialektische Kybernetik entwickle ich aus:
der Dialektik (idealistisch, wie materialistisch), die den Widerspruch als Grundlage der Wirklichkeit erkennt,
der negativen Dialektik, die das Nichtidentische gegen jede versöhnende Lüge verteidigt,
der Kybernetik erster und zweiter Ordnung, die das Wissen um komplexe, rückgekoppelte Systeme nutzbar macht und ihre chaotische Wirkung erklärt.

Dialektische Kybernetik vereint, was getrennt blieb:
Die Steuerung der Negation

Adaptive Negation ist ihr Zentrum:
die bewusste, schöpferische Überwindung bestehender Schranken;
nicht durch bloße Zerstörung, sondern durch Erschaffung eines Anderen aus den Möglichkeiten des Alten heraus.
Negative Adaption ist ihr Feind im Falschen:
die Fähigkeit von Systemen, Kritik zu absorbieren und sich durch Simulation von Veränderung zu erhalten.

Spannung ist ihre Strategie:
Erlangung von ideologischer und materieller Hegemonie in Antizipation der adaptiven Negation
Spontaneität ist ihre Taktik:
Die Nutzung systemischer Instabilität zur Schaffung von Möglichkeitsräumen.

Diese mögen dereinst den Kairos hervorbringen, die Möglichkeit zur Transgression in die Befreiung.
Die emergente Tat entspricht schließlich der organisierten Praxis, die diese Möglichkeit ergreift, als jenes, was Revolution genannt wird.

Dialektische Kybernetik erkennt die Fallen der Anpassung — und durchbricht sie.

Nicht jede Veränderung ist Befreiung. Gerade da, wo sie radikal sein will. Die dialektische Kybernetik unterscheidet aus diesem Grunde:
Anotropische (hoch entropische) Negation: Zersetzung ohne Neubeginn. Chaos, das alles zerreibt und nichts bewahrt.
(Beispiel: Marktanarchie, Fail States, Bürgerkrieg)
Katotropische (niedrig entropische) Negation: Erstarrung in der Veränderung. Der Tod durch Verhärtung des Systems.
(Beispiel: Autokratie, Totalitarismus)
Negentropische Negation: Die schöpferische Neugründung. Die Kunst, aus Widerspruch und Scheitern neue Freiheit zu entfalten.
(Ziel: Weltrepublikanischer Communismus)

Die kapitalisierte Welt ist ein tendenziell anotropisches System mit einer extremen Fähigkeit zur negativen Adaption. Er zerschlägt Altes unablässig, absorbiert Widerstände und reproduziert sich im Modus des endlosen Zerfalls. Er verhindert negentropische Erneuerung, indem er jede adaptive Negation in bloße Marktlogik verwandelt. Die Identitätslogik ist ihr Modus, der Warencharakter des Individuellen.

Dialektische Kybernetik strebt keinen ewigen Umsturz und keine ewige Stabilität an. Sie strebt die Eröffnung eines Zustands, in dem Versöhnung möglich wird, ein Ganzes, das dem Einzelnen dient:
Eine Ordnung, die Wandel erlaubt, ohne sich selbst zu opfern.
Eine Freiheit, die mehr ist als die Wahl zwischen Zwangsoptionen.
Eine Welt, in der das Nichtidentische nicht erstickt wird, sondern aufblühen kann.

Skepsis gegenüber der negativen Adaption.
Misstrauen gegenüber der versöhnten Welt ohne veränderte Bedingungen.
Treue zur Möglichkeit des radikal Anderen im Guten.
Sie verlangt Geduld und Entschlossenheit zugleich: Bereitschaft, den Kairos zu erkennen — und ihn zu ergreifen.

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Mark Erschüttert Autodidakt
Mark Erschüttert ist gelernter Kaufmann für Büromanagement, mehr wohl aber liebevoller Glücksritter und impulsiver Geist. Als Stiefpapa und Studienabbrecher lebt er im Grenzgängertum zwischen kritischem Utopismus und profanem Realismus. Zudem: Dialektiker. Humanist. Unitarier – mit einer metaphysischen Hoffnung auf das Beste: Die negativ deologische Yeshu’a im Blick. Musikalisch ist er interessiert am Goth – insbesondere am Postpunk und Dark Wave – ohne jedoch vom esoterischen Überschuss irgendeiner sogenannten „schwarzen Szene“ betroffen zu sein. In der Malerei genießt er den Surrealismus, das Unverständige dabei mehr, als das Kitschige, zum Klischee Geronnene. Doch duldet er kein Stillstehen, gibt sich bei Allem auch die Freiheit sich zu entwickeln und am Morgen das Gegenteil zu genießen – ob Jazz oder Pop Art. Seine weitestgehend autodidaktische Bildung, sowohl im Privaten, wie auch in politischen Organisationen, ist nahezu frei von institutionellem Kapital. Es bleibt ihm eine beschädigte Seele, die jedoch das Denken, wie das Fühlen liebt. Er ist zwar gerne für sich, schätzt doch sonders die Verbundenheit und das Leben, liebt dabei zuvorderst auch all jene Menschen, die ihn prägten und noch immer prägen.

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