Eine Ode an die psychiatrische Pharmakologie:
Wenn man Depressionen beschreiben möchte, kann man so simpel, wie schwierig die Worte wählen:
Depressionen sind existentielle Traurigkeit. Sie ist tief und wenig vergänglich.
Auch bei AD(H)S kann man ebenso sagen:
AD(H)S ist existentielle Langeweile. Sie ist tief und wenig vergänglich.
Nun habe ich beides – und man verzeihe mir den subjektiven Zugang – trotzdem ich über Jahre Psychotherapie gemacht und Psychoanalyse studiert habe, haben mir insbesondere Medikamente geholfen. Derzeit nehme ich Phenylethylamin und Methylphenidat.
Man verstehe mich nicht falsch, Therapie und Erkenntnis über die Natur innerer Konflikte helfen viel, doch wenn die Organchemie nicht stimmt, hilft womöglich kein Gespräch, keine Skills, keine Autosuggestionen und keine Bewältigungsstrategien.
Es ist vielmehr, als fehle der Psyche die Kapazität, um Bewusstgewordenes auszuhalten, oder umgekehrt sogar Kleinigkeiten ohne Symptombildung zu verdrängen.
Es scheint, als speicherten Dopamin und Serotonin Verdrängtes ohne Zwang zur weiteren Reaktionsbildung. Das Ich steckt mit den betreffenden Botenstoffen mehr weg, seien es die Enttäuschungen des Depressiven oder die Frustrationen des Aufmerksamkeitsdefizitären.
Das Ich kann ohne seine Hormone die Kluft zwischen den Instanzen der Anforderungen und der Triebe nicht überbrücken.
Und ja, es ist für mich bestätigt: Das Reale als Zumutung bleibt Quelle der Unlust, des Leidens, doch es ist mit Tabletten ertragbarer.
Man hätte es mir natürlich auch ohne solche chemischen Substanzen leichter machen können, dem Traurigen das Schöne und dem Sprunghaften seine Zeit geben können sich auszutoben, doch darauf ist Gesellschaft, unsere zumal, nicht ausgelegt.
Ich hätte mehr Geld für weniger Leistung bedurft, als andere. Das halte ich nach wie vor für sinnvoll, doch wenn nur prekär mehrheitsfähig, denn die bürgerliche Gesellschaft produziert aus sich heraus, zusätzlich zu den organischen auch sozialisierte psychische Erkrankungen, die sie politisch-ökonomisch nicht tragen kann, kulturell-ethisch vielleicht aber noch nachholend zu bekämpfen sucht.
Das Mindeste aber, was man uns gönnen muss, ist die Medikation, so sie selbst gewünscht ist und tatsächlich Abhilfe verschafft.
Denn natürlich muss gesagt sein, dass nicht alles medikamentös therapierbar ist und Nebenwirkungen abzuwägen sind.
Doch wo es hilft, man möge es verbessern, möchte ich dazu Aufrufen es dem Leidenden leichter zu machen, insbesondere, wenn man schon nicht die Gesellschaft ändern will.


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