Über die Notwendigkeit des Bruchs – eine Polemik:
Der Diskurs um Antisemitismus und das, was wir als antiwestlichen Ressentiment bezeichnen würden, innerhalb der deutschsprachigen Linken ist bereits alt und hat seine Dynamiken entfaltet. Das Aufkommen und schrittweise niedergehen der sogenannten antideutschen (und antinationalen) Strömung ist Ausdruck dessen.
Doch gerade die letzten Jahre haben erneut gezeigt, dass sich das konstitutive Problem, das sehr tief in die grundsätzlichen Annahmen linker Bewegung greift, auch international von großer Schwere erweist.
Um den Rahmen nicht zu sprengen (aufgrund der enormen Komplexität der Ideologie kann nicht auf alles eingegangen werden) verweisen wir zunächst der Basis halber auf grundlegende Interventionen zweier Autoren:
Moishe Postone – „Antisemitismus und Nationalsozialismus“, 1979,
sowie
Ingo Elbe – „…it’s not systemic“, 2021
Gerne legen wir diese grundsätzlichen Texte nahe, um zumindest einen Eindruck über die Tragweite des Problems aufzuzeigen.
Zu Beginn sollen nun zwei Ereignisse genannt werden, die die jüngere Geschichte linker Verblendung illustrieren sollen:
Der russische Einfall in die Ukraine im Februar 2022 und der Überfall der Hamas auf die israelische Zivilbevölkerung im Oktober 2023.
Hier zeigt sich der ideologische Kern der Verirrungen internationaler Solidarität, dessen Ziel und Impuls wir zwar teilen, der jedoch auf völlig falschen, wenn nicht gar zerstörerischen Pfaden wandelt.
Während es zu den Grundlagen des linksgerichteten Internationalisten gehört, eine genaue und akribische Liste herunterrattern zu können, in der die Gräueltaten des US-geführten Westens aufgeführt werden, vermag dieser es im gleichen Zuge sämtliche Taten der nichtdemokratischen, überwiegend autoritär geführten Anderswelt (zu den Problemen der nichtwestlichen Konstruktion kommen wir noch) als irgendwie antiimperialistische Rebellion wahrgenommen zu wissen.
Während in diesem Geiste zum Einen, ein oligarchisches, semidemokratisches, aber völlig in europäische Interessen eingebundene Russland als von der NATO umzingeltes, antifaschistisches Bollwerk imaginiert wird, erhält letztlich zum Anderen, sogar noch eine klerikal-faschistische Räuberbande, die die Herrschaft über den Gazastreifen ausübt, den international goutierten Glanz des Widerstands.
Es ist dies letzte, was an Widerwärtigkeit nicht mehr zu überbieten ist und die Linke – ja, ich nutze an dieser Stelle aus tiefster Überzeugung das argumentum ad hitlerum – geriert in ihrer Unterstützung für die Mörder zu einem eliminatorisch antisemitischen Gewalthaufen.
Während also ein durch die internationale Gemeinschaft hochgerüsteter, islamistisch geführter Landstrich regelmäßig Raketen über sein überwiegend jüdisches Nachbarland ergießt, die Zwei-Staaten-Lösung, die den Frieden schaffte, offener ablehnt, als jede bisherige rechtsgerichtete zionistische Regierung, und dessen Führung in seiner Charta die Auslöschung aller Juden propagiert, schließlich ohne Gnade zuschlägt, wenn sich die Gelegenheit dazu bietet, Kibbuzin und Friedensfestivals überfällt, tötet, vergewaltigt und dabei johlend vor Kameras und der aufgescheuchten Meute mit ihren Opfern posiert, fällt der internationalen Linken nichts weiter ein, als das zurückschlagende Israel, also gerade das so geplagte Judentum, des Völkermordes zu bezichtigen, das die Bevölkerung in Gaza vor jedem Angriff noch warnt, dabei die Palästinenser von der eigenen Führung als Schutzschild missbraucht werden, um international weiter – und erfolgreich – als Opfer des als Juden unter den Staaten imaginierten Feindes darzustellen.
Die Linke ignoriert hierbei in seiner bodenlos irrigen Weisheit alle kritischen Aspekte faschistischer Ideologie auf der Seite der als die Guten ausgewiesenen Bösen, das Märtyrertum, als Ausdruck eines nie enden wollenden Todeskultes zur Auslöschung der beiden Teufel (hoheitsiranisch für USA und Israel), den Antisemitismus, den sie längst teilen und der religiöse Wahn, der den kriegerischen Dschihad über das sonst so hochgehaltene Menschenrecht und die Demokratie stellt und nichts kennt, als das Opfer für Allah.
Dabei wird nicht mehr unterschieden zwischen dem Westen und allen anderen, ein umgekehrter Orientalismus ist entstanden, der den Kampf der Kurdinnen, Iranerinnen, Syrerinnen und Afghaninnen gegen ihre Mörder und Unterdrücker nicht mehr sieht, sondern sich unumwunden auf die Seite aller nichtwestlichen Systeme stellt.
Dass der Westen hierbei selbst keine gute Figur macht – man beachte die schmählichen Taten der Türkei in Kurdistan und die postkoloniale Ökonomiepolitik als Ganzes – soll dabei zwar nicht vergessen werden, doch berücksichtigt die Tatsache, dass es einen nichtwestlichen Akteur (Osten, Süden, was überhaupt?) schlicht nicht gibt.
Statt also für eine globale Perspektive der Demokratie und des Sozialismus zu kämpfen, frei von Ausbeutung, inner- und internationaler Konkurrenz, Chauvinismus und Autoritarismus, setzen sich Postkoloniale, Kommunisten, Anarchisten, Postmarxisten und Queers durch die Bank weg dafür ein, den Westen als solches und insbesondere seine vermeintlich schlimmste Ausgeburt, den Zionismus, nicht zu überwinden in einer kosmopolitischen Gesellschaft, die jedem Menschen Teilhabe, Mitbestimmung und Andersartigkeit zubilligt, sondern zu vernichten, um sie den längst lauernden reaktionären Gegenimperien zu überlassen, seien es Islamisten, Totalitärkommunisten oder konsequentere Nationalisten, als es selbst die USA je waren. (Einzig das nationalsozialistische Deutschland bleibt noch nach wie vor von der Geschichte unübertroffen)
Wir befinden uns also in einem Kampf des Falschen gegen das Böse und die Linke ist dabei, sich lautstark dem Bösen anzuschließen. Als weltrepublikanische Sozialistinnen können wir uns nicht mehr guten Gewissens als Teil dieser Linken sehen, so sehr wir uns auch seit jeher als solche begriffen.
Wir stehen allein.


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