Zwischen Fluss und Autobahn
Eine Unbekannte stieß einst auf ein Gerücht.
Fernab der Stadt, irgendwo zwischen Fluss und Autobahn,
solle es eine alte Hütte geben.
In ihr, so hieß es, liege das große Glück verborgen:
Unerschöpflicher Wohlstand,
die Fähigkeit zu fliegen,
große Liebe, tiefe Lust,
ewige Jugend
und der Sieg über Krankheit und Tod.
Die Unbekannte war weit davon entfernt, daran zu glauben.
Und doch wollte sie sich die Möglichkeit
eines solchen Wunders nicht entgehen lassen.
Also machte sie sich auf den Weg.
Jahre vergingen.
Wem sie begegnete, die fragte sie nach der Hütte.
Manche lachten voll Spott,
andere hielten sie für verrückt.
Doch es gab auch solche, die ebenfalls suchten —
und ganz selten behauptete jemand sogar,
ihren Ort zu kennen.
„Zwischen Fluss und Autobahn“, so sagten sie,
„fernab der Stadt.“
Weitere Jahre vergingen.
Die Unbekannte schalte sich einen Narren.
Natürlich gab es diese Hütte nicht.
Und doch:
Sie stieß weder auf Fälschung noch auf Täuschung,
weder auf Lüge noch Irrtum.
Nichts dergleichen kreuzte ihren Weg.
Ihr Haar war nun grau.
Ihre späte Jugend hatte sie längst verloren.
Gerade wollte sie umkehren,
da erblickte sie auf einem Hügel
eine verfallene Hütte —
fernab der Stadt,
zwischen Fluss und Autobahn.
Das Holz war morsch, die Fassade löchrig.
Sie wollte es sich nicht eingestehen,
doch ihr Herz raste, als sie sich ihr näherte.
Das große Glück, so hieß es,
solle sich dort finden.
Und sie fand es.
Doch anders,
als sie es je erwartet hätte:
Sie fand
unerschöpflichen Wohlstand,
die Fähigkeit zu fliegen,
große Liebe, tiefe Lust,
ewige Jugend
und den Sieg über Krankheit und Tod.
Denn in der alten Hütte horteten sich Bitcoins und Aktien gespeichert auf einem goldenen Stick.
Ihre Füße hoben sich vom Boden, ganz leicht und bar jeder Anstrengung.
Der Körper der Unbekannten richtete sich nun frisch und stark, auch jeder Schmerz wurde ihr genommen.
Zuletzt trat eine Traube bloßer und geistreicher Leiber aus dem Schatten, die sie schon ihr ganzes Leben zu lieben geschienen hatte.
Und wenn sie nicht gestorben ist –
so stirbt sie nie.


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