Ein Fenster zur Nacht

Eine gothische Liebesgeschichte

Im schwersten Gemüt muss mir täglich erinnern,
wie einst meine Nächste, im nächtlichen Schimmern,
begann mich zu kosen, ich ’stattete’s ihr,
sich mir zu ergeben in beider Begier,

Wir trafen uns heimlich, ich kann es kaum nenn‘,
wie lieb mir die Seele und teuer ihr Leib,
ich konnt‘ ihr nicht lassen, nicht ruh’n, kein Verbleib,
im Zimmer die Stätte fing‘ feurig zu brenn‘,

Wir eiferten heiter, ihr rührte mein Kuss,
im Beben der Lenden ihr Schweigen verlor,
zu Wonne und Zauber, hob’s hoch uns empor,
– des Pöbels Empörung schien uns ein Genuss,

So sprach sie gar zittrig, rang zärtlich um Luft,
„lass’s Fenster nur offen, es kümmert mich nicht“,
ihr glühender Atem, ihr beißender Duft,
ihr Körper war ledig, bei zwielicht’gen Licht,

„Schrei raus, meinen Namen, ruf aus, wen du liebst“,
sie tat wie geheißen, das Zimmer verließ’s,
sie hörten den Frevel, erfuhr’n von der Lust,
ein jeder ward bei uns, auch wir ham’s gewusst,

Ich weiß nicht wie lange, wie laut war der Fehl,
ein niemand kann’s sagen, mag’s Stunden vergeh’n,
war’n’s Jahre, war’s Donner, Momente, bloß Hehl?
Noch zartestes Jauchzen mag jeder versteh’n,

So kam’s, wie sie kam und wir ließen’s gescheh’n,
das Glück musste enden, mussten nichts mehr gesteh’n,
ihr Vater, er stahl mir, was mir ward gedieh’n,
sie musste ins Kloster – mich ließen sie zieh’n,

Doch zog ich gemieden, verlassen, gequält,
von dannen, im Elend der Sehnsucht, die schwelt,
vorbei meine Tage des Kostens gezählt,
die Liebste wurd‘ schließlich an Christus vermählt,

Ich suchte verborgen nach ihrem Verbleib,
doch konnten sie’s ahnen, wurd’s Misstrau’n gelernt,
die Seele soll heilen zum züchtigen Weib,
wenn nötig, nur möglich, von Sünde entfernt,

Die Zeit zog durch Lande und ich hintendran,
konnte wenig erkennen, jede Landschaft verschwamm,
weil Träne um Träne über Sichtfelder rann,
doch ich wagte mich weiter, irgendwie, irgendwann…

Und in finsterster Wehmut, von Trauer getrieben,
so möcht‘ ich gern richten, ich fand wie gewünscht,
bin noch heute die Frau, die die Nase nicht rümpft,
denn so fand ich sie ewig vom Heiland geschieden.

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Renard Volant Romancier
Renard Volant schafft seine Werke vornehmlich im Genre der aufgeklärten Schauerromantik als Vertreter des Reasonable Gothic. Seine Schriften durchziehen morbide, philosophische, politische, erotische, wissenschaftliche, surreale, historische, religiöse und psychologische Themen, stets getragen vom Geiste eines hedonistisch-moralischen Universalismus. Die Themen seiner Arbeit umfassen Ebenen der Natur, der Gesellschaft und des Individuums, zentriert um die Frage nach der Freiheit, als In- und Jenseits der Notwendigkeit. Der Mord am gesellschaftlichen Gott und am Vaterland interessiert ihn ebenso grundlegend, wie das Ende der auferlegten Arbeit und des erzwungenen Todes selbst, was den Beginn aller wahren Leidenschaften bedeutete. Renard Volant ist ansonsten reine Negation. Er hat keinerlei Vergangenheit, dabei jedwede Zukunft.

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