Freiheit im zeitgenössischen Liberalismus

Staat und Markt

Will man mit einer Liberalen über die Zumutungen des Sozialstaates sprechen, so sind die Argumente und Positionen bereits vorweggenommen. Es sind dies abgeleitete Forderungen einer negativen Freiheit vor der Einmischung des Staates ohne Rücksicht auf die unterdrückerische Totalität des Marktes.

Zu Grunde liegt dem Autoren dieser Zeilen nun sicherlich die Überwindung beider Extreme – der bürokratisch-zentralistischen Autorität einerseits und der konkurrenzbasierten-dezentralen Hackordnung andererseits.
Doch bewegen wir uns derzeit mitnichten in Richtung einer befreienden Negation dieses Verhältnisses, sondern in bloßer Synthese beider Gewalten gegeneinander und gegen das Individuum.
Aus diesem Grunde verbleiben wir einmal innerhalb dieser Logik und schauen uns eine Diskursstrategie an, um ihre klassenloyale Frechheit heutiger Liberalen (wie sie zumindest in Europa vorzufinden sind) bloßzustellen.

Man bedenke im Folgenden allerdings, dass der Begriff des Liberalismus zeitlich und räumlich, insbesondere im US-amerikanischen Kontext, divergiert. Man mag diesen Begriff hiernach adäquat variieren.

Zurück zum Thema:
Sollten sich findige Sozialdemokratinnen und sozial Engagierte in reformistischer Bescheidenheit einmal dazu herablassen die Gesellschaft gerade dadurch verbessern zu wollen, dass marginalisierte und unterdrückte Menschengruppen die staatlich garantierte Möglichkeit erhalten, an den Spitzen der Elite teilzuhaben (in Form von Quoten, Betriebsräten oder Mindestlöhnen z.B.), da greifen Liberale gerne zu einem rhetorischen Kniff:
Die Bürgerin, so hört man, sei doch aber mündig und könne selbst entscheiden. Auch Unternehmerinnen sollten demnach gewiss angehalten werden ihrer Verantwortung gerecht zu werden – aber doch bitte nicht mit staatlichen Vorgaben und Kontrollen.
Ignoriert werden soll hier also die Tatsache, dass diese Verantwortung in der empirischen Praxis ja gerade nicht wahrgenommen wird – zugunsten der Freiheit des Wirtschaftsadels unreguliert und frei von bürokratischer Kontrolle durch das Leben gehen zu können.

Aus gewisser Sicht ist dieser Wunsch nachvollziehbar:
Auch die Elite hat ihrem Wunsch nach Autonomie nachzukommen und leidet gewiss unter den Auflagen, die ihnen Gesetzestexte aufbürden und ihre Reichweite im ungezügelten Triebe des allgemeinen Wettbewerbes einschränkt.

Nähmen wir aus diesem Grunde einmal diese freiheitliche Position als gerecht und nobel an – rein hypothetisch.

Mit diesem Gedanken im Hinterkopf wenden wir uns nun einmal einem anderen Phänomen zu:
Dem der Sozialleistungen.
Sind solche gegeben, so stellt sich irgendwann immer die Frage nach den Effekten und des Missbrauchs solcher Regelungen. Denn was, so hört man besorgte Bürgerinnen fragen, wenn die Leute bei zu hohem Grundeinkommen einfach aufhören zu arbeiten? Oder wenn sie die Regeln, die dieses zu verhindern suchen, geschickt umgehen?

Fragen wir erneut den zeitgenössischen Liberalismus:
Natürlich, so hören wir, ist dies nicht zu tolerieren. Der sich einmischende Staat, der sich paternalistisch herablässt die Armen zu speisen, darf in solch einer Situation erst recht nicht auch noch ausgeräubert werden von all den Schreckgespenstern und Taugenichtsen.
Die Arbeitslose, so erfahren wir, wird vom Staat ernährt, verliert somit ihre Autonomie sich eine eigene Arbeit zu suchen, von ihrer eigenen Hände Früchte zu leben. Der Markt wird vom Staate verdrängt.

Wo aber ist sie nun hin die mündige Bürgerin, die selbst entscheiden kann, ob sie ihrer Verantwortung der Gesellschaft gegenüber gerecht werden will? Darf sie denn nicht wählen zwischen Ausbeutung und Gängelung?
Der Liberalismus sagt es uns: Nein.

Denn dem Bilde dieser Anschauung ist jede Arbeit zugleich Autonomie, die staatliche Zuwendung dagegen Infantilisierung.
Und während die Unternehmerin sich nicht vom Staate vorschreiben lassen darf, wie sie ihr Unternehmen zu führen habe, so darf doch derselbe, in seiner Pflicht dem Markte gegenüber, die von ihm direkt Abhängige kontrollieren, sanktionieren, zwingen.
Denn wenn schon nicht die Sozialhilfe abgeschafft werden kann, so wäre es der Liberalen gewiss am liebsten, so solle doch zumindest die äußerste Gewalt der Staatsmacht die Faulen zu Werke prügeln.

Wo ist sie also hin, die mündige Bürgerin, wenn die Liberalen die Freiheit der Arbeiterin zur Muße verurteilen? Doch der elitäre Partikularismus liberaler Moral für die Oberen der Wirtschaft wird uns hier gewahr. Er ist Ausdruck der – oder erfährt Legitimation durch die – Hinwendung zum Markt.

Denn die negative Freiheit des zeitgenössischen Liberalismus gegen den Staat führt einzig zur positiven, doppelten Freiheit zum Markt. Die zerstörerischen Wirkungen desselben jedoch ist ihm Folge einer utopischen Gemeinschaft:

Die des Freien Kampfes Aller gegen Alle.

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Mark Erschüttert Autodidakt
Mark Erschüttert ist gelernter Kaufmann für Büromanagement, mehr wohl aber liebevoller Glücksritter und impulsiver Geist. Als Stiefpapa und Studienabbrecher lebt er im Grenzgängertum zwischen kritischem Utopismus und profanem Realismus. Zudem: Dialektiker. Humanist. Unitarier – mit einer metaphysischen Hoffnung auf das Beste: Die negativ deologische Yeshu’a im Blick. Musikalisch ist er interessiert am Goth – insbesondere am Postpunk und Dark Wave – ohne jedoch vom esoterischen Überschuss irgendeiner sogenannten „schwarzen Szene“ betroffen zu sein. In der Malerei genießt er den Surrealismus, das Unverständige dabei mehr, als das Kitschige, zum Klischee Geronnene. Doch duldet er kein Stillstehen, gibt sich bei Allem auch die Freiheit sich zu entwickeln und am Morgen das Gegenteil zu genießen – ob Jazz oder Pop Art. Seine weitestgehend autodidaktische Bildung, sowohl im Privaten, wie auch in politischen Organisationen, ist nahezu frei von institutionellem Kapital. Es bleibt ihm eine beschädigte Seele, die jedoch das Denken, wie das Fühlen liebt. Er ist zwar gerne für sich, schätzt doch sonders die Verbundenheit und das Leben, liebt dabei zuvorderst auch all jene Menschen, die ihn prägten und noch immer prägen.

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