Zum Verhältnis von Rationalismus und Irrationalismus:
Im Folgenden stelle ich eine Unterscheidung dar, die zunächst als hochtrabend kontradiktorisch daherkommt. Da in wenigen Minuten niedergeschrieben, handelt es sich zudem um ein zwar kategorisch klar gegliederten, doch assoziativ überhäuft wirkenden Text, dessen Zugang seinem Ziel der Klarheit durchaus entgegenläuft. Nichtsdestoweniger halte ich seine Richtung für richtig, seinen Inhalt für wahr genug, als dass ich mit dem Ergebnis zufrieden sein darf.
Große und ausführlich ausgearbeitete Texte hingegen bleiben Solchen vorbehalten, die die Zeit und die Muße haben, sich ihrer Produktion wahrhaftig hinzugeben.
Vernünftiger Rationalismus:
Dem Schema nach handelt es sich hier, als Ausgangskategorie, durchaus um das Gute und Richtige der Aufklärung: Das rationale Mittel zum vernünftigen Zwecke, als das Werkzeug, Denken oder planvolle Mittel, welches das Leben des Menschen lebenswerter macht, Mühen schont, Leiden minimiert, das Glück mehrt.
Es gibt also diese Art des Rationalismus, der Wissenschaft und Technik, die Methoden der Empirie und der Logik dazu nutzt, den Fortschritt zu unterstützen, Wissen zu generieren – in Erkenntnis dessen was ist -, der die Geschichte so vorantreibt, zu einem Besseren hin.
Die Kritik dessen, was ich also vernünftigen Rationalismus nenne, bedeutet nicht diesen zu verwerfen, sondern seine Grenzen aufzuzeigen, zu zeigen, wo er sich nicht mehr genügt und wo der Rationalismus sich selbst verrät. Ich nenne Ersteres, den vernünftigen Irrationalismus, Zweiteres, den unvernünftigen Rationalismus.
Vernünftiger Irrationalismus:
Seine Grenzen im Guten findet der vernünftige Rationalismus also hier, im Wesen des Menschen selbst, der nicht nur Geist, nicht bloß Subjekt ist, sondern auch im Besitze von Fantasie, Begehren, Kreativität, Angst und Lust ist, kurzum darin, was ich die Seele, die Psyche nenne. Was der Surrealismus treibt, die aufgeklärten Romantiker ebenso inspiriert, wie den menschenoffenen Psychoanalytiker, ist Teil dessen.
Das Irrationale selbst, der Tanz und das Spiel, Genuss an der Natur als Selbstzweck, Perversion als Sexualität, das Boxen mit selbstgewählten Schatten, hat in Wahrheit das Glück zum Ziel und erfüllt somit das humanistische Ideal auf leiblicher Stufe, ist diesem Sinne nach vernünftig. Dieser – und nur dieser Irrationalismus – kann somit als vernünftig gelten, weil auch er den Fortschritt bringt, den Menschen zu befreien und als Gott zu verwirklichen.
Unvernünftiger Rationalismus:
Seinen bösen Zwilling, das Zerrbild des vernünftigen Rationalismus nun, bildet der unvernünftige Rationalismus dort, wo der planvolle, disziplinierte Geist sich als einzigen Selbstzweck setzt oder exekutiert, was ein außer ihm stehender, irrationaler Zweck ihm auferlegt. Diese instrumentelle Vernunft (Horkheimer), die gewissenhaft den Imperativen der Ideologie oder aber vermeintlich ideologiefrei der blinden Kraft gesellschaftlicher Verhältnisse folgt, kann deshalb nicht als vernünftig gelten, da sie den Menschen nicht als Erstes und Letztes setzt, die Bedingungen der eigenen Sinnproduktion verschleiert und Institutionen gebiert, die das Unrecht perpetuieren, statt der Freiheit zu dienen.
Es sind dies Werkzeuge der Religion, des Nationalismus, des Kapitals.
Unvernünftiger Irrationalismus:
Das groteske Gegenbild nun zum vernünftigen Rationalismus findet nicht in seiner Kritik, sondern als bloße Vollständigkeit des dargestellten Systems Erwähnung: Dieser Irrationalismus, als bloßer Wahn von Gesellschaft oder Individuum, ist frei vom bewussten Mitteln und Zwecken, findet aber schrankenlos Ausdruck auch im Schädlichsten: Der Sadismus, die konsensfreie Übergriffigkeit, der intuitive, nicht näher begründete Chauvinismus, der Geisterglaube, die Zerstörung um der Zerstörung willen, das unheilvolle Lachen im Angesicht des Abgrundes gelten ihm als Tugend.
Der vernünftige Irrationalismus, als nun dessen weise gewordener Bruder, weiß um die Verführungskraft seines Zwillings, kennt daher Ventile und Sublimierungen in der Kunst und dem Denken, doch meidet seine Manifestationen.
Fazit:
Die fragmentarische Skizze der Kritik des vernünftigen Rationalismus erweist sich so als unvollständig gebliebene Analyse dessen, was wahr und gut ist an Aufklärung und Romantik, sowie, was in ihr als verdammenenswert erscheint.
Somit erscheinen sie nicht mehr als Gegensätze, sondern als Widersacher in sich, die sich gegenseitig befruchten oder aber anfeuern in ihrer Regression. Die aufgeklärte Romantik widmet sich somit der Vernunft im Rationalismus, wie auch im Irrationalismus und verwehrt sich des Fatalen imselben.
Ich heiße Ersteres nun Geist und Seele der Vernunft, Letzteres Ideologie und Wahnsinn.


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