Vier falsche Lösungen zum Problem der Bedeutung
Im Folgenden skizziere ich vier Wege der Bedeutung, in dem Ziel diesen nahezukommen. Ich interpretiere diese auf Basis eines diamodernen Projekts als vier falsche Lösungen zum Problem der Bedeutung im metaphysischsten, existenziellsten Sinne:
Propheten und das Universale – Tanach, Bibel, Koran
Die historisch wohl weitreichendste, wenn auch in ihrem Anachronismus am meisten kritisierteste, Bedeutungssuche, ist die der Religion, insbesondere die der monotheistischen, abrahamitischen Versionen dessen, wobei sicherlich auch die heidnische Mythenwelt in diese Kategorie fällt.
Für mich durchaus sympathisch ist hier der Wille die Welt zu erklären, dabei als ein System von Bedeutung zu verstehen. Die historische Kontingenz der Erzählungen konterkariert zwar den Anspruch einer adäquaten Welterklärung, so ist doch hier die Idee aufgehoben, dass die Existenz, insbesondere das menschliche Leben, mit Sinn erfüllt ist, die dem materiellen Leid des Individuums im konsequentesten Falle eine Heilsgeschichte entgegensetzt, im Mindesten aber eine Anklage gegen die natürliche Verhältnisse impliziert, eine Inanspruchnahme des Göttlichen, um dem Zufälligen des Quälens und Sterbens der Menschen eine Vorstellung von Reinheit und Unverwundbarkeit entgegenzusetzen.
Natürlich haften diesen Erzählungen, Mythen und Schriften der Kategorie des Religiösen die Engstirnigkeit des Traditionalen, des Zwanghaften an, eben dadurch, dass Erkenntnis im Grunde nicht hinterfragt, im Besten Falle lediglich neu interpretiert werden darf. Die Totalität des Universalen, auch in seinem Irren und Fehlen, ist die große Schwäche dieses Projekts und untergräbt den Wahrheitsanspruch der Sinnsuche dieser Kategorie. Ihr Verdienst ist jedoch das Festhalten am Göttlichen, am Bedeutenden. Die großen Bauwerke, die zwar gewiss auf Leid und Herrschaft erbaut sind, zeugen in ihrer Kunstfertigkeit und mythischen Überhöhung von dem legitimen und aufrichtigen Versuch diesem Sinn eine Form zu verleihen.
Die Nähe Gottes wird gesucht.
Sein und Entscheidung – Heidegger und Schmitt
Diesem Projekt entgegen stehen die zeitlich modernen Ideen der Bedeutungslosigkeit, die ich als aller erstes in meinen Überlegungen angreifen will, wenn auch nicht aus antimodernistischem Ressentiment heraus, sondern gerade als Vertreter eines diamodernistischen Projekts gegen die antiaufklärerischen Entwicklungen auf der Basis einer unvollendeten Moderne.
Hier wird also weder etwas Universales postuliert, noch gesucht, sondern aus der Relativität allen Seins heraus, ein gesetzloses Gesetz verfolgt, dass das Partikulare und kollektiv Egoistische seinen Mythen überlässt. Diese Mythen sollen gerade aus ihrer Kontingenz heraus, dem Willkürlichen der Geschichte und der Tradition, ihre Macht entfalten. Wo also jede ehrliche Sinnsuche als bloße Erzählung abgetan wird, erhält jede Erzählung den Schein des Sakrosankten, jede Vermischung und Frage nach Rechtfertigung verfolgt. Die Totalität des Religiösen wird in der antimodernen Moderne, heute in ihrer neuesten Spielart auch Postmoderne genannt, zur Totalität als Selbstzweck, zur Schaffung von Identität ohne Sinn.
Hier wird die Suche nach göttlicher Bedeutung bloß geleugnet, doch kehrt umso aggressiver zurück, wo sich ihre gesellschaftliche Macht bedroht sieht. Die Umwertung aller Werte des Nihilismus gerät hier zur Überwertung kollektiver Identität und verhindert jede Form objektiver Bedeutungssuche.
Ebenso fällt in gewissem Sinne, als Hybride aus Relativismus und gewachsener Theologie, die Willkürlichkeit der Esoterik in dieses antimoderne Ressentiment. Die eklektizistische Natur des Geheimwissens von Hexen, Schamanen, Gurus und Germanen, überkommene Elemente verwässerter Kulturfragmente, finden hier ein System aus Scherben ohne den Anspruch vernunftbegründeter Einheit. Wer den Nihilismus des Reaktionären nicht mehr erträgt, dabei aber ebenso wenig auf die kritischen Impulse des hinterfragenden Geistes einzugehen bereit ist, verfällt in unreflektierte Mystik, die anschlussfähig bleibt mit völkischem Denken und irrationaler Blut- und Boden-Gefühlsduselei. Nicht zuletzt der Zen-Buddhismus eines postnazistischen Heideggers kann hier als exemplarische Flucht vor dem eigenen Denken in Ähnliches verstanden werden.
Fun ist ein Stahlbad – Postheroismus im Spätkapitalismus
Als dritte Möglichkeit, neben der religiösen Bedeutungssuche und der antimodernen Moderne, finden wir die kulturindustrielle Ausblendung jeder Bedeutungssuche. Weder wird hier Bedeutung geleugnet, noch gesucht. Wo alles Ware wird, wird die dröge Welt der Notwendigkeit, hin und hergeworfen zwischen Arbeit und Weltgeschichte, eine Welt aus Vergänglichkeit und Sucht. Bedeutung finden wir bloß noch im Kleinen, im Atomistischen, in 3-Minütigen Songs, immer kürzer werdenden Social-Media-Triggern, an Lebensgefühl appellierenden Werbungen und im Besten doch fragilen Falle in Freundschaften und Familie.
Das zugerichtete Individuum, dass sich den antimodernen Tendenzen der kollektivierenden Identität noch verwehrt, gleitet ab in kurzen Sequenzen des Glücks, kleinen Fenstern mit Blick aufs Meer, zur sprichwörtlichen und realen Drogensucht. Man geht den Fragen nach Bedeutung aus dem Weg, findet sie jedoch allerorts, als das konkret gewordene Allgemeine, in Waren und Charaktermasken, als Influencern des Sinnes.
Die Architektur dieser Welt ist die Sphere at The Venetian Resort, ein Smiley gewordenes Monument einer Kultur, in der Bedeutendes Kitsch wird und Kitsch den Schein des Tiefgründigen erhält. Ein Lächeln überspielt die bloße Leere, die die Postmoderne propagiert.
Das höllische Ei – Naturwissenschaft und theoretische Physik
In der Nische der Sinnsuche finden wir auch allerlei theoretisches und Abstraktes. Längst geht auch die naturwissenschaftliche Forschung auf die Suche nach Bedeutung, Zukunft und Leben.
Insbesondere aber der Nihilismus auf höherer Stufe ist das vorläufige Ergebnis vieler dieser Gedanken. Während das Multiversum eine Unendlichkeit an Möglichkeiten menschlichen Leides impliziert, mit der totalen Relativität der empirischen Welt, suggeriert uns der Determinismus eines Blockuniversums, durchaus nicht unplausibel, die Unausweichlichkeit der Geschichte und das Feststehen alles Kommenden. Weitere Varianten der bloßen Kontingenz der evolutionären Entwicklung, die kein Ziel kennt außer dem beiläufigen Effekt der Anpassung, sind die fluktuierenden Existenzen kurzfristiger Entitäten im unendlichen Meer der Teilchen eines bereits verstorbenen Universums, oder die Emergenz gewordene Komplexität alles Seienden aus Energie und Nichts. Nicht zuletzt die Ideen der Matrix, einer bloßen Simulation eines göttlichen Nerds, oder einer hieroglyphen Hülle eines schwarzen Lochs, sind Erzählungen aus den Weiten der Science Fiction auf Basis der Real Science.
Anders als jede der vorhergenannten Lösungen, sind diese Ideen mal mehr und mal weniger gut begründet, erheben Anspruch auf Objektivität, widersprechen aber allesamt einer Idee des Sinnes im Dasein, degradieren den Menschen zu einem bloßen Zustand des blinden Zufalls, ob als Ganzes determiniert oder kontingent. Jede Bedeutung sickert uns hier durch die mechanischen Hände im Uhrwerk einer Schöpfung ohne Grund.
Doch diese Ernsthaftigkeit der Suche macht die genannten Theorien durchaus wichtig für die Suche nach Bedeutung selbst, so zeigen sie doch auf, inwieweit unser Wissen noch zu klein, unsere Methoden zu geringfügig sind, um die Suche zum Ende bringen zu können. Diese Ansätze verdienen somit wohl die allermeiste Beschäftigung.
Die richtige Lösung
Das diamoderne Projekt nun will die Möglichkeit zu einer erneuten Suche nach Bedeutung freilegen.
In seinem Mittelpunkt steht, wie im entwickelten Humanismus, der Mensch, als körperliches Wesen, mit der Fähigkeit zum Geistigen und Seelischen, wie auch die belebte Natur um ihn herum im Fokus der Betrachtungen liegt, mit Energie, Kraft und Materie als ihre manifeste Grundlage.
Zusätzlich gilt diesem Projekt das Leid jedes zu diesem fähigen Lebens als grober Angriff auf die Würde des Universums selbst und die derzeitigen gesellschaftlichen Verhältnisse, die all jene Ideologien hervorbringen, die die Suche nach Bedeutung in all ihren Variationen und Kombinationen behindern, als emergenter Fehler, der überwunden gehört.
Die Bedeutung des Kosmos ist der Endpunkt dieser Suche, die der Umgestaltung der gesellschaftlichen Ordnung bedarf. Die richtige Lösung zur Suche nach Bedeutung ist jedoch eine kommende, solange ihre Bedingungen nicht erfüllt sind, die menschliche Rationalität somit von ihren Verstrickungen mit der Ideologie, als notwendig falschem Bewusstsein, noch nicht befreit wurde. Die derzeitige Suche kann bloß eine negative sein, in Kritik aller Versuche konkrete Bedeutung zu postulieren oder der Suche auszuweichen. Lediglich die Existenz der Bedeutung, in Konfrontation der Ungerechtigkeit des Leidens des Individuums, gilt dem diamodernen Projekt als gesetzt.
Es ist Sinn.


Schreibe einen Kommentar