Probleme der pandeistischen Ethik

Die Vorzüge des pandeistischen Blickes auf den Menschen in seiner Verletzlichkeit sind zunächst bestechend:

Wenn der Mensch als Mensch, mehr noch, jeder Mensch im Einzelnen, als konstitutiver Teil und ungebrochenes Moment des Göttlichen selbst gilt, so ist jede schändliche Tat, jeder Frevel gegen dieses Atom, zugleich auch ein Verbrechen gegen gottes Organismus.
Die Folgerung scheint also klar: Die imperative Demut vor dem individuellen Leben, das doch durch die Annahme einer heiligen Substanz sakrale Aufwertung erfährt, muss das einsichtige Subjekt vor Folter und Missbrauch zurückschrecken lassen.

Doch dieser durchaus sympathische Gestus erweist sich als wenig konsequent, wenn man den verdrängten Schatten dieser aufgeklärten Religion mit beleuchten mag.
Denn ist nicht auch der Sadist, der eiskalte Mörder, der Triebtäter und Sklaventreiber, letztlich auch der Kriegsverbrecher und Genozidexekuteur, in dieser Anschauung, bloß Teil des Einen:
eben Gott?

Weitergedacht führte dieser Widerspruch schließlich gar zur Auflösung des Unverzeihlichen ein jeder Schreckenstat.
Denn ist doch das Verbrechen des armen Teufels gegen sich selbst, als durchaus verzeihlicher anzusehen, als dasselbe gegen Andere.
Die Selbstkasteiung ist durchaus herer, als die Folter, wenn gleichwohl ebenso fehlgeleitet. Und sogar der fraglos tragische Suizid ist zumindest höher zu achten, als der niedere Mord am Gegenüber, ungeachtet des Motivs.
Aus diesem Blickwinkel nun heraus, der zumindest den Konsens des beigefügten Schmerzes mit berücksichtigen will, erschiene doch auch das Wirken Gottes im Menschen gegen sich selbst, als durchaus erträglicher, als der Schlag eines Gleichen gegen seine zumindest individuell geschiedene Schwester.

Hieraus folgt: Sind wir ersteinmal (und sei es auch aus noch so redlichem Ermessen heraus) alle reduziert auf das bloße Gliedmaß einer Gottheit, so ist jede Verursachung von Leid, in all ihrer Grausamkeit, lediglich Ausdruck einer seelischen Pathologie eines Größeren.
Das Grauen hieße dann schlimm – aber auch nicht so schlimm.

Somit erführe das Individuum, das zuvor also noch jene pandeistische Aufwertung zum Heiligen erlangte, seine finale Abwertung zum Ersetzbaren, zum kleinen Rädchen einer unendlichen Maschine, zum nachwachsenden Lurchenschwanz, zum überflüssigen Organ des absoluten Geistes.

Der Pandeismus, in seiner universellen Moral und innerhalb der Sphäre des Religiösen, wäre hiermit wohl das, was der autoritäre Kommunismus in der wirklichen Geschichte darstellte:
Ein edles Versprechen, rational und liebevoll durchdacht, doch in seinem kollektivistischen Resultat noch unausgegoren und ungenügend für die Freiheit der menschlichen Seele, zuletzt sogar Hindernis zur wahren Befreiung.

Hier gelte es nicht zu stoppen, kein Halt zu ertragen.

Denn die Würde des Nichtidentischen liegt nicht im Ganzen, sondern in sich selbst, als vollendender Teil, als ganze Gottheit im ganzen Gott. Jede Marter also, jedes Unrecht muss uns unverzeihlich bleiben.
Und auch Gott weinte wohl um jedes Härchen, dass ihm bräche. Oder wir tun es an seiner statt.

Sei es uns gleich.

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Mark Erschüttert Autodidakt
Mark Erschüttert ist gelernter Kaufmann für Büromanagement, mehr wohl aber liebevoller Glücksritter und impulsiver Geist. Als Stiefpapa und Studienabbrecher lebt er im Grenzgängertum zwischen kritischem Utopismus und profanem Realismus. Zudem: Dialektiker. Humanist. Unitarier – mit einer metaphysischen Hoffnung auf das Beste: Die negativ deologische Yeshu’a im Blick. Musikalisch ist er interessiert am Goth – insbesondere am Postpunk und Dark Wave – ohne jedoch vom esoterischen Überschuss irgendeiner sogenannten „schwarzen Szene“ betroffen zu sein. In der Malerei genießt er den Surrealismus, das Unverständige dabei mehr, als das Kitschige, zum Klischee Geronnene. Doch duldet er kein Stillstehen, gibt sich bei Allem auch die Freiheit sich zu entwickeln und am Morgen das Gegenteil zu genießen – ob Jazz oder Pop Art. Seine weitestgehend autodidaktische Bildung, sowohl im Privaten, wie auch in politischen Organisationen, ist nahezu frei von institutionellem Kapital. Es bleibt ihm eine beschädigte Seele, die jedoch das Denken, wie das Fühlen liebt. Er ist zwar gerne für sich, schätzt doch sonders die Verbundenheit und das Leben, liebt dabei zuvorderst auch all jene Menschen, die ihn prägten und noch immer prägen.

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